Das Gerede von der sich verändernden Welt, zumal unserer Bücherwelt, kann ich nicht mehr hören. Was soll sie denn sonst machen?
Gerne wird in Seminaren erklärt, wir sollten mit der Zeit gehen, die Verlage seien gestrig, alles wandert ins Netz … Kokolores.
Naturgemäß verfolgen wir Medienarbeiter die Entwicklungen. Und ebenso selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, als Vermittler – denn nur das sind wir – die Inhalte der Autoren in jeder
erdenklichen Form und auf allen Wegen zu den Lesern zu bringen.
Jedoch übersehen die Zukunftsverkäufer diverse Gesichtspunkte:
1. Das Buch ist das einzige wirklich unabhängige Medium. Wir können drucken, was wir wollen, ohne auf irgend jemanden Rücksicht zu nehmen: Sei’s die Werbung und die Industrie, irgendwelche
Gremien oder Parteien. Auch die öffentliche Meinung kann uns egal sein. Wo sonst können Autoren ihre ganz persönliche Sicht der Dinge frei veröffentlichen?
2. Das Buch ist eine Erfindung wie das Rad, der Löffel und die Hose. Wir können ästhetisch daran werkeln – die Grundidee ist zeitlos. Und nicht verbesserbar.
3. Das Buch landet nicht sofort im Müll wie andere Printmedien oder im Nirwana des Internets, braucht keinen Strom und hat ökonomisch betrachtet einen sehr hohen Kosten-Nutzen-Wert. Sogar kleine
Auflagen in inhaltlichen Nischen können sich rechnen.
4. Das Buch wird persönlich ausgewählt aus einer unermesslichen Fülle und ist nicht zuletzt das tollste Geschenk unter Menschen, die sich schätzen. Bücher welken nicht.
Vito von Eichborn
Timmdorf/Malente
Vita in Stichworten
(Namen lasse ich
hier bewusst weg – vor allem zahlreiche mir lieb gewordene frühere Autoren und Mitarbeiter)
Vito von Eichborn, am 7. 12. 1943 in Hundisburg/Magdeburg geboren, aufgewachsen nach der sog. Flucht in: Frankfurt, Gutshof Nieder-Olm/Mainz, Internat Plön, Internat Carlsburg und Louisenlund, Abitur in Celle, Studium (Germanistik, Philosophie, Theaterwissenschaften) in Hamburg und Köln (abgebrochen).
Heirat 66, Geburt des Sohnes Thimon 67 (den Namen hab ich so übrigens erfunden).
Volontariat 68-70 beim „Göttinger Tageblatt“. (Einschub: Ein Kollege war Peter Voß,
der Karriere machte und Intendant des SWR wurde. Bei Vitolibro gibt's jetzt Gedichte von ihm.)
70-71 Redakteur beim „Express“ in Köln.
Ausstieg 71-72 nach Castelldefels/Barcelona, für deutsche Zeitungen schreiben, Deutsch unterrichten, Lampen bauen ...
73-80 Lektor im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt. (Vielerlei Lizenzausgaben, Originalreihen von Märchen bis zum Werkkreis. Am liebsten und lehrreichsten war mir die von mir erfundene Reihe „Mein Lesebuch“, mit Fichte und Böll, von der Grün und Andersch, dem anstrengenden Kempowski etc.)
80 Gründung des Eichborn Verlags 50:50 zusammen mit der Druckerei Fuldaer Verlagsanstalt (FVA).
Der Verlag wuchs schnell. Eher schwer verkäufliche Literatur und Sachbücher aller Art wurden aus Erlösen des bestsellerträchtigen Humor- und Geschenkbuch-Programms finanziert. Das Spektrum reichte von lateinamerikanischen Autoren und der Werkausgabe Richard Brautigans über die ersten Bestseller „Tante Linas Kriegskochbuch“ (Neuausgabe 2020 - bestellen!), "Domenica" und Joschka Fischers „Umbau der Industriegesellschaft“ bis zu „Richard von Weizsäcker im Gespräch“.
Mit den Erlösen aus dem „Kleinen Arschloch“ von Walter Moers kaufte ich 1989 die „Andere Bibliothek“, die von ihren (genialen) Begründern Franz Greno und Hans Magnus Enzensberger fortgesetzt wurde. (Hier bei Vitolibro gibt's Neuausgaben: "Das nackte Brot" von Choukri und "Tief in Bayern". Kaufen, lesen, staunen!)
Dann übertrieb ich alles, das Programm wucherte, immer neue Reihen entstanden, ich produzierte weit über 200 Novitäten im Jahr. Der Verlag war unter den hundert größten, überholte Kiepenheuer & Witsch im Umsatz. Aber wir hatten Liquiditätsprobleme. 1993 wollte ich den selbst gemachten Wildwuchs radikal herunterschneiden, ein Downsizing von Titeln, Personal, Kosten – den Verlag buchstäblich halbieren.
Doch dem Partner, der Druckerei, ging es nicht gut, sie lebte inzwischen vom Umsatz durch meine Bücherfluten. Ich hatte aus vielerlei Gründen (und Blödheit, ein Steuerberater betrog mich jahrelang) einen privaten Schuldenberg bei meinem Verlag und bekam, klassische Midlife-Krise mit 50, Altersängste.
Kurz gefasst: Ich verkaufte 94 meine Verlagshälfte an den Drucker für einen deutlich siebenstelligen Betrag. Der wanderte in die Schuldentilgung und die Steuern. Auch mein nun Ex-Partner legte mich rein. Weg war alles. Das war der Fehler meines Lebens. (Entgegen Gerüchten, das sei nicht freiwillig gewesen – niemand kann einen 50-Prozent-Eigentümer zwingen.) Ich hätte weitermachen sollen.
Dann arbeitete ich von einem externen Büro für den Verlag, hielt das aber nicht mehr aus und schied 96 ganz aus.
Einschub: Wenig später ging der Verlag an die Börse. Verjubelte das schöne Geld mit noch unsinnigerem Wildwuchs. Und ging ein paar Jahre später konkurs. Auch die Druckerei ging pleite. (Nur der Partner hatte ausgesorgt und spielt ohnehin lieber Schach. Das kostet keine Verantwortung.) Die Andere Bibliothek lebt dankenswerterweise weiter beim Aufbau Verlag. Und der Eichborn Verlag ist ein Imprint der Gruppe Bastei-Lübbe.
Ein paar Monate pachtete ich ein Hotel in der Dominikanischen Republik. Doch das gab ich auf, als ich 1997 für zwei Jahre in Hamburg Geschäftsführer bei Rotbuch Verlag/Europäische Verlagsanstalt wurde.
1999 kaufte ich – mit dem Geld der Senator AG – den Europa Verlag, München, und zog ihn nach Hamburg um. Wie immer mit breitem Spektrum – von der Erfolgsreihe „Kindermund“ und der vielbändigen Noam-Chomsky-Ausgabe bis Ulrich Wickert „Alles über Paris“...
2004 ging Senator konkurs, der Geldhahn wurde zugedreht. Mit einem Partner veranstaltete ich ein Management-Buy-out – doch unsere Altschulden waren so hoch wie der Jahresumsatz. Ich wollte den Verlag sauber abwickeln – mein Partner weitermachen. Er übernahm, ich schied aus. Der Konkurs kam ein Jahr später.
Pleiten pflastern meinen Weg? Nö. Stimmt, ein Kaufmann war ich nie – das waren die Partner. Und Risiken habe ich nicht gescheut. Wie ja auch niemand die Andere Bibliothek fortsetzen wollte. (Enzensberger über das Gespräch mit Unseld: „Ich sah in seinen Augen Gier und Geiz.“ Übrigens sind das wichtige Eigenschaften jedes Verlegers.)
Aber seltsam, dass meine Nachfolger als Programm-Macher immer Jahre später pleite gingen, wenn ich längst ausgeschieden war.
Seither bin ich freischaffend als Herausgeber, freier Lektor, Literaturagent, Autor
(„Mein Mallorca“, Mare Verlag, „111 Orte zwischen Lübeck und Kiel, die man gesehen haben muss“, Emons Verlag, "Fast alles über Bad König", wo ich zwei Monate Stadtschreiber war), schrieb Essays,
"Supertipps", naja, dit un dat - und habe ständig neue Projekte.
Für die Burgerkette Peter Pane übersetzte und produzierte ich eine illustrierte Neuausgabe von "Peter Pan".
Seit 2007 wohne ich mit meiner Frau und neuerdings Kater Kalle in Timmdorf/Malente direkt am Dieksee, in den ich von Mai bis Oktober jeden Morgen nach dem Aufstehen springe.
Zwischendurch lebte ich zwei Jahre auf Mallorca, wo ich diesen Verlag Vitolibro gründete. Der muss sich - mangels Kapital, siehe oben - selbst tragen. Das Programm? Wie immer: Belletristik und Sachbuch, Geschenkbuch und Humor. Kurz: Alles, was so
richtig Spaß – und Sinn - macht.
Und die Regionalia-Reihe "Fast alles über ..." wird schrittchenweise weiter
ausgebaut. (Autoren - bitte melden!)
Einfach mal die Webseite anklicken.
Ich vertrete die Rechte einiger Autoren. Verzettele mich wie immer. Werde mehr schreiben.
Wer zu viel macht, macht nichts richtig. Stimmt.
Aber Spaß macht's immer noch.